Zukunftsorientierte Logistik muss mit Ressourcen haushalten. Nachhaltigkeit steht ganz oben auf der Agenda. Künstliche Intelligenz (KI) ist einer der stärksten Hebel für Umwelt, Mensch und Wirtschaft. Mehr dazu.
Eine Bitkom-Umfrage unter rund 600 Digitalverantwortlichen in Unternehmen und rund 1.000 Personen aus der Bevölkerung zeigt: Jedes zweite Unternehmen (57%) beschäftigt sich mit KI. Die Bevölkerung befürwortet den Einsatz nach der Cybersicherheit (80%) vor allem im Bereich Verkehr und Mobilität (78%). Hier ist KI bereits im Alltag angekommen. Sie verändert die Abläufe an vielen Stellen. Mehr Ressourceneffizienz führt zu mehr Nachhaltigkeit. Immer mehr KI-Ansätze finden sich in Logistikzentren, im Verkehr zu Land, zu Wasser und in der Luft. Das Ziel: nachhaltiges Wirtschaften für Umwelt, Mensch und Wirtschaft.
Schon angesichts der ehrgeizigen Klimaziele, des drohenden Fachkräftemangels und der verschärften Berichtspflichten müssen sich die Akteure entlang der Lieferketten gemeinsam organisieren. Das bedeutet: Daten sammeln, analysieren und austauschen. Das betrifft langfristig ausnahmslos alle, die Güter transportieren oder umschlagen. Nachhaltige Lieferketten brauchen ganzheitliches Management und mehr Transparenz. Je komplexer die Prozesse, desto wirkungsvoller kann KI die eigene, aber auch die unternehmensübergreifende Nachhaltigkeit unterstützen. Ein Indikator für viele aktuelle Entwicklungen in dieser Richtung ist das Projekt ALICE, das auf der transport logistic vorgestellt wird. Die Initiative entwickelt unter anderem eine europäische Technologieplattform und arbeitet eng mit Verladern und Logistikdienstleistern zusammen, um Transport- und Logistikprozesse bezahlbar auf Zero-Emission zu bringen.
Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V., hat im Juni 2024 auf dem UBA-Kolloquium Nachhaltiger Güterverkehr über mögliche Effizienzgewinne gesprochen, die Perspektiven der verladenden Wirtschaft und großer Logistikunternehmen zusammengefasst und festgestellt: Klimaschutz in der Logistik ruht auf drei Säulen. Verkehrsverlagerung, Prozessoptimierung und technologischer Fortschritt. Nachdem viele Logistiker bei neuen Antriebstechnologien, nachhaltigen Kraftstoffen und erneuerbaren Energien unter den Vorreitern waren, erobern sie auch schnell Anwendungen für KI, ein sinnvoller Hebel für nachhaltige Logistik. Das spiegelt der aktuelle DHL-Trendradar wider. Hier gehören neben Nachhaltigkeit Begriffe wie Generative KI, KI-Ethik, Audio-KI, Computer Vision und Advanced Analytics zu den Logistik-Schlüsseltrends.
Viel Potenzial für Nachhaltigkeit per KI liegt sprichwörtlich auf der Straße. Denn dort findet der Großteil des Güterverkehrs in den 27 Staaten der Europäischen Union statt. Globalisierung und Handel bringen steigende Transportvolumina mit sich. Das belastet die Umwelt, vor allem im Straßengüterverkehr, denn laut Statistical Pocketbook der Europäischen Kommission entfallen 53,8 Prozent der 3.471 Milliarden Tonnenkilometer auf den Straßenverkehr, 28 Prozent auf den Seeverkehr, 11,9 Prozent auf die Schiene, 3,5 Prozent auf die Binnenschifffahrt, während Rohrleitungen mit 2,7 Prozent und die Luftfracht mit 0,1 Prozent den geringsten Anteil innerhalb von Europa beisteuern.
Prozesse verschlanken, Entscheidungen mit Echtzeitdaten unterstützen und auswerten – vorausschauend für Prognosen und rückblickend für Analysen und Berichte – KI entlastet die Umwelt. Aber nicht nur. Sie verarbeitet Datenmengen, die Menschen nicht bewältigen können, und spart Kosten. Verkehrsdaten und Wetterbedingungen fließen in die Routenplanung ein. Lager- und Laderaumkapazitäten können durch KI auf Basis von Bedarfsprognosen besser ausgelastet werden. Echtzeitdaten z. B. zur Wartung, zum Verbrauch und zum Fahrverhalten erleichtern die vorausschauende Wartung. Zudem lassen sich die Herkunft und Transportwege von Gütern über Lieferketten hinweg besser nachvollziehen. Wenn dies in Zukunft immer mehr unternehmensübergreifend auf einer gemeinsamen Datenbasis geschieht, macht die Logistik nicht nur in der Effizienz einen Quantensprung, auch in der Nachhaltigkeit.
Allerdings fehlt es vielen Akteuren der Wertschöpfungskette noch an Vertrauen. Vor allem im Mittelstand erschwert das den Datenaustausch. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund arbeitet daher seit Mitte 2024 im Projekt „Skalierbare KI- und Blockchain-Lösungen zur Automatisierung und Autonomisierung in Wertschöpfungsnetzwerken (SKALA)“ mit verschiedenen KI-Ansätzen aus Bereichen wie „Natural Language Processing“, „Computer Vision“ und „Predictive Analytics“ in Kombination mit Blockchain-Technologien. Die quelloffenen Softwarekomponenten sollen insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen die Gestaltung nachhaltigerer Logistikketten erleichtern.
Im multimodalen und kombinierten Verkehr setzt die KI an vielen Stellen an. Die Logistikketten mit ihren vielen Akteuren und großen Datenschätzen bieten reichlich Potenzial. Bereits auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung hat das Deutsche Verkehrsforum (DVF) über fortgeschrittene Projekte mit gemeinsamen Plattformen berichtet. Auf der transport logistic 2025 wird die Diskussion um KI und Nachhaltigkeit im Forum Next Generation Logistics: Reshaping Combined Transport fortgesetzt. Gerade im Kombinierten Verkehr mit seinen vielen Schnittstellen an den Umschlagpunkten zwischen den Verkehrsträgern Schiene, Straße, Wasser und Luft entstehen Informationen, die sich am besten mithilfe von KI kooperativ für nachhaltigere Logistikketten erschließen lassen.
Im globalen Handel sind Daten zentral. Schiffe transportieren Waren über lange Strecken. Flugzeuge bringen Produkte in andere Länder. Dabei entstehen Emissionen und gleichzeitig fallen große Mengen an Informationen an. DB Schenker überwacht die Lieferketten seit Kurzem mit Ocean Bridge. Das digitale Tool verarbeitet Echtzeitdaten auf Container-, Sendungs- und Schiffsebene. Eine interaktive Karte zeigt geschätzte Abfahrts-, Ankunfts- und Liegezeiten. KI-gestützte Berechnungen liefern zuverlässige Prognosen. Mit den KI-generierten Informationen können Verspätungen oder Änderungen eingeplant werden. Flexibilität, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die Menschen und das Betriebsergebnis schont.
Ein anderes Beispiel aus der Luftfracht. Seit 2021 arbeiten neun Branchenpartner im „Digitales Testfeld Air Cargo“ unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik zusammen. Das Projekt läuft bis August 2026 mit einer Förderung von insgesamt 18 Millionen Euro und Oliver Luksic, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr fasst den Zweck zusammen: „Nur so können wir knapp werdendes Personal gezielt einsetzen, begrenzte Infrastruktur optimal nutzen und damit langfristig Kosten senken.“
Auch FIEGE Air Cargo Logistics und die Deutsche Telekom am Frankfurter Flughafen verfolgen ein ähnliches Ziel. Sie verbessern mit KI und dem Internet of Things die Abwicklung von Luftfracht. Wie bei Tetris stapeln sie Stückgut effizient auf Unit Load Devices (ULD). Als Spezialpaletten müssen sich diese den Konturen des Frachtraums anpassen, optimal beladen sein und Sicherheitsvorschriften erfüllen. LiDAR-Sensoren erfassen Paletten dreidimensional, sodass kein Zentimeter ungenutzt bleibt. KI löst die manuelle Konturprüfung per Sicht oder Schablone mit einem digitalen Prüfsystem mit AI-Vision, einer KI-Plattform der Telekom ab.
CSRD und andere Anforderungen erhöhen den Druck auf die Logistik. Ab 2026 werden mehr Unternehmen in Europa über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten berichten. Die Auflagen führen zu einem Mehraufwand, der kompensiert werden muss. Damit steigt das Interesse an künstlicher Intelligenz im Bereich Nachhaltigkeit. Auf der transport logistic 2025 spielt das Thema deshalb eine zentrale Rolle und zieht sich durch zwölf Hallen der Messe München.
Auf 150.000 m² Ausstellungsfläche treffen KI-orientierte Infrastrukturanbieter auf Transportunternehmen, Ausrüster und Dienstleister. Auch Verlader aus verschiedenen Branchen sind vertreten. Besucher, Aussteller und Referenten diskutieren über umweltfreundliche und wirtschaftliche Prozesse unter Einsatz von KI. An den Ständen und im Rahmenprogramm treffen sich Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Gemeinsam loten sie die Möglichkeiten für nachhaltige Lösungen aus.