Immer mehr Menschen wohnen in Städten. Nicht zuletzt durch den Internethandel boomt der Verkehr. Das belastet die Bewohner. Der Druck auf die urbane Logistik wächst. Mit welchen nachhaltigen Lösungen begegnen Städte den Herausforderungen von morgen? Erfahren Sie mehr.
Mehr als 55 Prozent der Weltbevölkerung (2021) leben in urbanen Räumen mit mehr als 10.000 Einwohnern, so die Vereinten Nationen. In der Europäischen Union liegt der Urbanisierungsgrad bei über 75 Prozent (Quelle: Statista). Tendenz steigend. Diese Entwicklung wird den Druck auf die urbane Logistik weiter erhöhen. Nicht nur die Paketflut nimmt zu, sondern auch das Stückgutaufkommen.
Transport und Umschlag für immer mehr B2C-Lieferungen konkurrieren mit zunehmendem Verkehr, verursacht durch Handel, Industrie und Handwerk. In Deutschland setzt sich laut HDE Online-Monitor 2024 der stationäre Handel wieder stärker durch, unter anderem mit stabilen Click-and-Collect-Anteilen. Einzelhändler füllen ihre Warenbestände häufiger, flexibler und kleinteiliger. Gleichzeitig bleibt das Wachstum des Online-Handels mit 85,4 Milliarden Euro (2023) auf hohem Niveau stabil. Vor allem auf Marktplätzen, aber auch mit eigenen Onlineshops lassen sich Zuwächse erzielen. Das anhaltend hohe Niveau befeuert den Lieferverkehr in den Städten. Bei 59 Prozent B2C-Anteil spiegelt die BPEX KEP-Studie 2024 diese Entwicklung mit einem leichten Sendungsplus von 0,6 Prozent.
Für bessere Luftqualität reagieren Kommunen mit Fahrverboten und Zufahrtsbeschränkungen. Das ist mittlerweile bereits in über 840 Städten innerhalb der EU geschehen. Die EU unterstützt die Städte seit 2021 mit einem Rahmenkonzept, das Verkehr, Emissionen und Lärm eindämmen soll. Emissionsfreie Lösungen für Fahrzeugflotten, die Organisation der letzten Meile, multimodale Knotenpunkte sowie digitale Lösungen rücken immer mehr in den Fokus.
„Der Druck auf die Logistikbranche steigt und betroffen sind nicht nur die KEP-Dienstleister, sondern auch die Stückgutspediteure. Sie benötigen dringend funktionierende Konzepte für die Stadtbelieferung“, so Stefan Rummel, Geschäftsführer der Messe München. „Hochschulen, Forschungsinstitute und führende Logistikdienstleister entwickeln und testen mit Kommunen Lösungsansätze, die den städtischen Verkehr und damit die Umwelt entlasten“, so Rummel weiter.
Der Raum in den Städten wird knapp. Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten intensiv an Konzepten, die langfristig allen gerecht werden: Menschen, Umwelt und Wirtschaft. Weil die Lösungsansätze so vielfältig sind wie die Rahmenbedingungen der Städte selbst, rücken Aussteller und Fachforen der transport logistic 2025 das Thema erneut in den Fokus. Ein Rückblick: 2019 präsentierte die weltgrößte Logistikmesse des Bundesumweltministeriums und Bundesumweltamt prämierte Lösungen. Die Preisträger des Wettbewerbs „Nachhaltige Urbane Logistik“ haben diese bis heute erfolgreich weiterentwickelt.
Die Stuttgarter Innenstadt war 2019 das erste emissionsfreie Zustellgebiet für Stückgutsendungen. Das Prinzip: ein modulares System für DACHSER-Niederlassungen. Das Ziel: Zustellung von Stückgut und schweren palettierten Gütern mit batterieelektrischen Lkw, Transportern und Lastenfahrrädern, je nach Bedarf mit innenstadtnahen Mikrohubs. „Geografie, soziale Struktur, Verwaltung: Jede Stadt verfügt über ein unverwechselbares Profil, das wir bei der Planung und Umsetzung eines emissionsfreien Liefergebiets berücksichtigen“, erklärt Tara Li, Projektleiterin DACHSER Emission-Free Delivery. „Gleichzeitig können wir bereits auf Erfahrungen aus zwölf europäischen Städten zurückgreifen und entsprechende Synergien und Optimierungspotenziale daraus ziehen.“ Mit dieser emissionsfreien Innenstadtbelieferung können Kommunen die Luftqualität verbessern und den Verkehrslärm reduzieren. Bis 2025 möchte DACHSER das zweite Dutzend vollmachen.
Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML bündelt im Bereich Urbane Logistik neue Konzepte und Technologien für eine stadtverträgliche, effiziente und umweltschonende Belieferung von Innenstädten. Von Elektromobilität über Mikrodepots bis hin zu Lastenfahrrädern werden praktikable Lösungen für die letzte Meile aufgezeigt. Neben der Organisation von Transportströmen über Mikro-Hubs und der empfängergesteuerten Zustellung stehen auch die Effekte durch die Verlagerung von Transporten auf freie Flächen und Zeiten im Fokus der Forschungsarbeiten. So setzte das prämierte Logistikkonzept „Geräuscharme Nachtlogistik“ – kurz GeNaLog – mit Elektro-Lkw, geräuschoptimierten Fahrzeugböden und Ladehilfsmitteln sowie speziellem Fahrpersonal auf Tagesrand- und Nachtzeiten. Das Projekt mit den Praxispartnern REWE, DOEGO und TEDi hat bereits auf der transport logistic 2019 gezeigt, dass eine geräuscharme Nachtlogistik technisch machbar ist. Derzeit arbeitet das Team des Fraunhofer Instituts im Rahmen des Mobilitätsprojektes „Leise Logistik“ an einem Handbuch. Damit können Genehmigungsbehörden auf kommunaler Seite künftig die Lärmemissionen von Fahrzeugen und Geräten leichter beurteilen.
Der visionäre Ansatz des unterirdischen Transports durch Rohrleitungen als „Smart City Loop“ erhielt 2019 einen Sonderpreis. Güter werden auf Ladungsträgern von City-Hubs am Stadtrand durch Rohrleitungen zu Mikro-Depots in der Innenstadt transportiert. Das Konzept basiert auf erprobter Technik und ist in kurzer Zeit umsetzbar. Die Wirtschaftlichkeit ist durch Studien belegt. Derzeit laufen Gespräche mit Investoren, die die Vorbereitungen für das Planfeststellungsverfahren in Hamburg finanzieren. Das Konzept der unterirdischen Ver- und Entsorgung von Innenstädten stößt angesichts des zunehmenden Drucks durch Verkehrs- und Umweltbelastungen auf wachsendes Interesse – auch im Ausland.
2019 waren einige Denkansätze der Universität Duisburg-Essen visionär, viele sind es heute noch. Der Verkehrsphysiker Prof. Dr. Michael Schreckenberg erforschte den Einsatz von Lieferdrohnen in der urbanen Logistik. Im Fokus unter anderem der von Daimler entwickelte Vision Van mit integrierten Drohnen zur autonomen Luftzustellung, das autonom fliegende Luft-Taxi Volocopter oder urbane Seilbahnsysteme, wie in La Paz, die auch für Cargo nutzbar wären. „Für die Stadtbelieferung durch die Luft sind allerdings noch viele rechtliche Fragen zu klären“, räumte Schreckenberg damals ein. Erst weitere fünf Jahre später kann der Bielefelder Drohnenhersteller Third Element Aviation von der bundesweit ersten Genehmigung für kommerzielle Drohnen-Linienflüge durch das Luftfahrtbundesamt berichten.
Für die Herausforderungen der urbanen Logistik gibt es bereits eine Reihe von Lösungsansätzen, die sich zum Teil schon in der Praxis bewährt haben. Den für alle Städte und Regionen passenden Masterplan wird es jedoch nicht geben. So bleibt es spannend, mit welchen Maßnahmen die einzelnen Kommunen und Logistikdienstleister in Zukunft auf die drängenden Herausforderungen und Ansprüche an Mobilität, Lieferbereitschaft, Klima- und Emissionsschutz reagieren werden. Die transport logistic 2025 ist eine Plattform für innovative Ansätze zum Thema „Urbane Logistik“.
Möchten Sie sich umfassender über die Herausforderungen und neuesten Entwicklungen der urbanen Logistik informieren? Dann könnten auch diese Themen interessant für Sie sein: City-Logistik: Beispiele für gelungene Kooperationen