Immer mehr Menschen leben in den Metropolen des Landes. Mit dem zunehmenden Individual-, Pendel- und Lieferverkehr sowie dem Boom des Online-Handels steigt auch die Gesundheitsbelastung der Bewohner. Damit nimmt der Druck auf die urbane Logistik zu. Erfahren Sie mehr über die diversen Lösungsansätze und nachhaltigen Logistikkonzepte, die nötig sind, um sich den logistischen Herausforderungen der Stadt von morgen zu stellen.
Derzeit leben in der Europäischen Union mehr als 75 Prozent aller Bürger in Städten (Quelle: Statista). Die Tendenz: steigend. Dieser Trend wird den Druck auf die urbane Logistik weiter verstärken, der durch den Boom des E-Commerce und steigende Anforderungen an die Luftqualität bereits deutlich zugenommen hat.
Denn nicht nur die Paketflut steigt, sondern auch die Menge an Stückgut. Der Einzelhandel füllt seine Warenbestände häufiger, flexibler und kleinteiliger, was unter anderem auf die Beschaffungsform Click-and-Collect zurückzuführen ist. Dabei können Kunden online bestellte Artikel in einem stationären Geschäft abholen und so Porto sparen.
Auf den damit zusammenhängenden zunehmenden Lieferverkehr und die steigenden Erwartungen an die Luftqualität reagieren die Kommunen mit Fahrverboten und Zufahrtsbeschränkungen. Das ist mittlerweile bereits in rund 500 Städten innerhalb der EU geschehen.
„Der Druck auf die Logistikbranche steigt und betroffen sind nicht nur die KEP-Dienstleister, sondern auch die Stückgutspediteure, die dringend neue Konzepte für die Stadtbelieferung benötigen“, so Stefan Rummel, Geschäftsführer der Messe München.
„Hochschulen, Forschungsinstitute und führende Logistikdienstleister entwickeln und testen bereits konkrete Lösungsansätze, die den drohenden Kollaps der innerstädtischen Versorgung verhindern sollen“, so Rummel weiter. „Vieles davon war im Juni 2019 auf der transport logistic in München zu sehen oder wurde dort diskutiert.“ Diese Lösungsansätze sind so vielfältig wie die Rahmenbedingungen der verschiedenen Städte selbst.
Auf der transport logistik, der größten Logistikmesse der Welt, waren unter den 2.374 Ausstellern auch viele Preisträger des Wettbewerbs „Nachhaltige Urbane Logistik“, den das Bundesumweltministerium gemeinsam mit dem Umweltbundesamt 2019 ausgeschrieben hatte.
Auch der Logistikdienstleister DACHSER war anwesend, der in der Stuttgarter Innenstadt ein emissionsfreies Liefergebiet für Stückgutsendungen definiert und dauerhaft in sein Netzwerk integriert hat.
So funktioniert das Lieferkonzept „DACHSER Emission-Free Delivery“:
Schon heute steht fest, dass das Unternehmen sein Lieferkonzept auch auf andere Städte ausweiten wird. „Dafür haben wir eine Toolbox mit Maßnahmen entwickelt, aus der sich unsere Niederlassungen bedienen können“, erklärt Stefan Hohm, der bei DACHSER die Corporate Unit Corporate Solutions, Research & Development verantwortet.
In der City Distribution Toolbox werden zum Beispiel:
Wichtig ist aber insbesondere, so betont Hohm: „Es kann keinen einheitlichen Masterplan für alle europäischen Städte geben, denn jede Kommune hat ihre eigenen topografischen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen.“
Ebenfalls unter den Preisträgern des Bundeswettbewerbs „Nachhaltige Urbane Logistik“ war das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML. Dessen Vorschlag: Der Einsatz von Elektrofahrzeugen soll auch nächtliche Anlieferungen ermöglichen, sodass sich das Zeitfenster für den Transport und die Anlieferung von Waren vergrößert. Auch die Tagesrand- und Nachtzeiten können genutzt werden, um so die Innenstädte insgesamt zu entlasten.
Das Logistikkonzept GeNaLog (Geräuscharme Nachtlogistik) setzt auf:
Am Projekt sind die Unternehmen REWE, DOEGO und TEDi beteiligt. Ein fünfwöchiger Praxistest der REWE Group in Köln verlief bereits sehr positiv: „Die Testphase mit dem E-Lkw und den geräuscharmen Technologien verlief ohne größere Schwierigkeiten. Anwohner waren von der geräuscharmen Technik begeistert und haben sich zu keiner Zeit über Ruhestörungen beschwert“, berichtet Daniela Kirsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Fraunhofer IML.
Ebenfalls an das Fraunhofer IML ging der Sonderpreis für den visionären Ansatz des unterirdischen Transports über Rohrleitungen. Der sogenannte „Smart City Loop“ befördert die Güter auf Lastenträgern von City-Hubs am Stadtrand zu Mikro-Depots in der Innenstadt. So können die Güter schnell, wirtschaftlich, zuverlässig und umweltfreundlich transportiert werden.
Ein weiterer Vorteil: Das System kann aber auch umgekehrt genutzt werden, um zum Beispiel Leergut und Retouren zum Stadtrand zu liefern.
Ein ähnliches Projekt: Das Projekt des Fraunhofer IML erinnert sehr an die Hyperloop-Pläne im Hafen Hamburg. Die Hanseaten wollen bis 2021 für rund sieben Millionen Euro eine 100 Meter lange Teststrecke zwischen dem Containerterminal Altenwerder und einer Übergabestation bauen. In dem Tunnel bewegt sich dann eine selbstfahrende, 25 Tonnen schwere Kapsel, in der die eintreffenden Seecontainer mit hoher Geschwindigkeit von der Kai-Kante abtransportiert werden können.
Visionär sind auch die Denkansätze der Universität Duisburg-Essen. Der Verkehrsphysiker Prof. Dr. Michael Schreckenberg will für die urbane Logistik die dritte Dimension erschließen.
Er forscht intensiv an der Nutzung von Lieferdrohnen und verweist auf den von Daimler entwickelten Vision Van. Dieser hat einen voll automatisierten Laderaum und integrierte Drohnen zur autonomen Luftzustellung. Ebenso praxisnah sei bereits der Volocopter, ein autonom fliegendes Luft-Taxi, oder das Seilbahnsystem der bolivianischen Stadt La Paz, das als das größte urbane Seilbahnnetz der Welt gilt. „Für die Stadtbelieferung durch die Luft sind allerdings noch viele rechtliche Fragen zu klären“, räumt Schreckenberg ein.
Für die Herausforderungen der urbanen Logistik gibt es bereits eine Reihe von Lösungsansätzen, die sich zum Teil schon in der Praxis bewährt haben. Den für alle Städte und Regionen passenden Masterplan wird es jedoch nicht geben. So bleibt es spannend, mit welchen Maßnahmen die einzelnen Kommunen und Logistikdienstleister in Zukunft auf die wachsenden Ansprüche an Mobilität, Lieferbereitschaft, Klima- und Emissionsschutz reagieren werden.
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