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Neue Seidenstraße & Europa: Chance für europäische Unternehmen?

Mit dem Bau der neuen Seidenstraße zeigt China seinen Einfluss als größte Handelsmacht der Welt. Die Seidenstraße führt neben Afrika und Asien auch durch europäische Länder und soll neue Handelswege schaffen. Ist sie eine Chance, ein Risiko oder eine Gefahr für europäische Unternehmen?

Was ist die neue Seidenstraße?

Die Neue Seidenstraße ist ein langfristiges Projekt zum Ausbau der Infrastruktur für die Handelsströme zwischen Asien, Europa und Afrika. Geplant sind Eisenbahnlinien, Brücken, Häfen, Pipelines, Staudämme, Kraftwerke - alles, was zur Infrastruktur gehört. Initiator ist die chinesische Regierung.

Ziel der Seidenstraße sind neue Handelswege für Europa

Das Projekt der Neuen Seidenstraße ist auch als „One Belt, One Road“ (OBOR) oder „Belt and Road Initiative“ (BRI) bekannt. Die Volksrepublik China startete damit 2013 den Aufbau der neuen Seidenstraße mit über 100 Ländern. Das Ziel: stabiler Handel und Zugang zu Ressourcen. Es soll ein belastbares Netzwerk aus Transport-, Kommunikations- und Energieinfrastruktur zwischen Asien, Afrika und Europa entstehen. Damit will China die politische Stabilität entlang der neuen Seidenstraße sichern und sein Gewicht gegenüber den USA stärken.

Routen der neuen Seidenstraße folgen altem Vorbild

Der Begriff „Neue Seidenstraße“ knüpft an die Geschichte der alten Karawanenrouten des ersten Jahrhunderts an. Sie verbanden den Westen auf dem Landweg über Zentralasien mit Ostasien. Heute bezieht sich die Neue Seidenstraße zum einen auf die Landrouten im Norden als „Silk Road Economic Belt“ und zum anderen auf die Seerouten im Süden als „Maritime Silk Road“.

Die Landroute führt von verschiedenen Punkten in China durch Länder Süd-, West- und Zentralasiens über den Iran, die Türkei, Pakistan und Westrussland nach Europa. Die maritime Seidenstraße verläuft von der chinesischen Küste über Südostasien, Indien und Ostafrika durch den Suezkanal ins Mittelmeer bis nach Triest mit Anschluss an das europäische Schienennetz. Seit der russischen Aggression gegen die Ukraine rückt der zentrale Korridor, das "Central Trans-Caspian Network" (CTCN), in den Fokus.

Investition entlang der Seidenstraße – Alternativen zu China?

China hat seit 2013 bereits viel in die Handelswege europäischer Länder, die entlang der Silk Road liegen investiert. Viele europäische Unternehmen waren von Anfang an skeptisch. Mit den neuesten geopolitischen Entwicklungen rücken alternative Infrastrukturprojekte wie die EU-Asien-Konnektivitätsstrategie und der Verkehrskorridor Europa-Kaukasus-Asien (TRACECA) in den Fokus. Generell eröffnet die Neue Seidenstraße Absatzmärkte – aber welche Chancen hat Europa?

Auf dem Weg nach Europa nutzt die Volksrepublik vor allem den Landweg über Zentralasien und Russland. Auf dem Seeweg führt die Seidenstraße über den Indischen Ozean und den Suezkanal nach Europa. Die Schiene verbindet bereits Duisburg, den größten Binnenhafen Europas, mit China, und von Yiwu bei Shanghai führt eine Güterzugstrecke nach Madrid. Mit Piräus als Endpunkt auf dem Seeweg über den Suezkanal hat sich China den logistischen Zugang zum EU-Markt gesichert.

China hat kräftig in die BRI investiert

Zur Finanzierung rief die Volksrepublik 2014 den „Seidenstraßenfonds“ ins Leben. Seit 2016 finanzieren die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) und die New Development Bank der BRICS-Staaten Projekte.

Im Jahr 2017 erreichten die chinesischen Investitionen entlang der Seidenstraße nach Recherchen der Germany Trade and Invest (GTAI) mit über 55 Milliarden US-Dollar ihren Höhepunkt. Dann beobachtete die Wirtschaftsförderungsgesellschaft einen Rückzug chinesischer Banken, da Partnerländer und -organisationen ihre Schulden nicht zurückzahlen können.

Trotzdem gibt es nach Recherchen der GTAI für 2023 weltweit 1.214 neue Projektverträge, -verlängerungen, -erweiterungen und Absichtserklärungen im Rahmen der BRI, rund 21 Prozent mehr als im Vorjahr. 251 davon im Bereich Transport und Verkehr.

Im Jahr 2023 prognostizierte das Statista Research Department bei den gesamten BRI-Investitionen den Durchbruch der Marke einer Billion US-Dollar. Immer mehr private Investoren und internationale Entwicklungsbanken wie die Weltbank finanzieren neue Projekte. Die meisten neuen BRI-Projekte entstehen in Chinas Nachbarregionen Zentral- und Südostasien (ASEAN).

Chinas Investitionen in die europäischen Handelswege müssen von den beteiligten Ländern zurückgezahlt werden. Kann Europas Wirtschaft und Logistikbranche weiterhin profitieren?

China first – wer von dem Bau der neuen Seidenstraße profitiert

Andreas Breinbauer, Rektor der FH des Berufsförderungsinstituts BFI Wien und Leiter des FH-Studiengangs Logistik und Transportmanagement, gibt bereits 2019 zu bedenken: „Die Hauptkreditgeber sind zu rund 90 Prozent chinesische Staats- oder staatsnahe Banken, die bevorzugt chinesische und hier wiederum vor allem staatsnahe Unternehmen unterstützen.“

Das IFO-Institut warnt in seiner Studie „Megatrends im Welthandel: Die neue Seidenstraße“ vor zahlungsunfähigen Partnerländern, weil China dann Einfluss auf die Nutzung der Infrastruktur nehmen oder sich das Eigentum daran aneignen könnte.

Diese Prognose ist eingetreten. Die Mehrzahl der Bauprojekte geht an chinesische Unternehmen. Die Autoren einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaftsforschung (IfW) kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtsumme der Rettungskredite bis Ende 2021 auf 240 Milliarden US-Dollar (US$) belaufen wird. Das ist fast ein Viertel aller BRI-Projektkosten seit 2013. Gibt es dennoch wirtschaftliche Vorteile für Europa?

Geschäftspotenziale und Chancen durch die neue Seidenstraße

Trotz der schwachen Beteiligung an Bauprojekten sehen viele Unternehmen in Europa Chancen in der neuen Seidenstraße, wenn auch eher indirekt. Mittlerweile bröckelt das geostrategische Vertrauen in den Projektpartner China. Die Bundesregierung von Deutschland investiert nicht in die BRI, sondern sieht den Ansatz eher in der EU-Asien-Konnektivitätsstrategie, die in die Global Gateway-Initiative überführt wird. Im Dezember 2023 verkündete Italien, dass es die Teilnahme an Chinas Belt and Road Initiative (BRI) nicht verlängert. Gleichzeitig veröffentlicht das Institut für Weltwirtschaft in Kiel die neue Analyse „Was wäre wenn? Die Auswirkungen einer harten Abkopplung von China auf die deutsche Wirtschaft“.

Die Hoffnungen auf Geschäfte mit der neuen Seidenstraße haben sich nicht wie erhofft erfüllt, trotzdem sehen Europas Unternehmen Chancen.

Handelspartner China: Vorteile und Risiken der neuen Seidenstraße

China ist nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner für viele europäische Länder, nicht zuletzt aufgrund des wachsenden Online-Handels. Viele europäische Unternehmen würden daher von einem weiteren Ausbau der Transportmöglichkeiten wirtschaftlich profitieren.

Die neue Seidenstraße bietet folgende Vorteile und Chancen für Europa

  • Kürzere Transportzeiten: In zwölf bis zwanzig Tagen erreichen Güter künftig ihr Ziel. Ermöglicht wird dies durch die neuen Landkorridore, über die die Güter vor allem per Güterbahn transportiert werden.
  • Geringere Transportkosten: Mit dem Güterzug lassen sich Güter schneller und kostengünstiger transportieren als mit dem Seeschiff oder dem Flugzeug.
  • Neue Absatzmärkte: Der Ausbau der Infrastruktur und die dadurch angestoßenen wirtschaftlichen Entwicklungen in den Ländern entlang der Strecke können europäischen Unternehmen in Zukunft neue Absatzmärkte erschließen oder die Geschäftstätigkeit erleichtern.

Auch Hamburg profitiert von der neuen Seidenstraße

Im Jahr 2022 werden rund 22 Millionen Tonnen Seegüter zwischen Hamburg und China umgeschlagen. Als größter Eisenbahnhafen Europas sieht der Hamburger Hafen Chancen in der „One Belt, One Road“-Initiative: „China als größter Handelspartner des Hamburger Hafens wird auch zukünftig eine wesentliche Rolle für den Welthandel und damit für uns spielen. Zusätzlich könnten noch einige Länder hinzukommen. Nach den Prognosen vieler Fachleute wird es in den kommenden fünf bis zehn Jahren zu einer Diversifikation auf den Weltmärkten kommen“, schreibt Axel Mattern, Vorstand Hafen Hamburg Marketing e.V., im Port of Hamburg Magazine 2/23.

Damit bleibt die Seidenstraße als Sinnbild für internationale Handelsrouten aktuell und wird auch im Konferenzprogramm der transport logistic 2025 eine wichtige Rolle spielen.

FAQ

Was ist die Neue Seidenstraße?
Die Neue Seidenstraße ist ein langfristiges Projekt, mit dem China die Infrastruktur entlang der Handelsrouten zwischen Asien, Europa und Afrika ausbaut.

Was wird entlang der Seidenstraße gebaut?
Entlang der Seidenstraße werden Eisenbahnlinien, Brücken, Häfen, Pipelines, Staudämme, Kraftwerke – alles, was zur Infrastruktur gehört - gebaut.

Welche Routen gibt es auf der Neuen Seidenstraße?
Zum einen führt der „Silk Road Economic Belt“ auf dem Landweg über Süd-, West- und Zentralasien und die „Maritime Silk Road“ auf dem Seeweg über Indien und Ostafrika durch den Suezkanal nach Europa.

Welche Länder sind an der Neuen Seidenstraße beteiligt?
Insgesamt beteiligen sich rund 100 Länder an der Neuen Seidenstraße. Die Schwerpunkte der Projekte liegen in Afrika, Europa und Asien.

Seit wann existiert die Seidenstraße?
Die Routen gehen auf Karawanenwege aus dem ersten Jahrhundert zurück. China hat das Projekt Neue Seidenstraße 2013 unter dem Namen „One Belt – one Route“ kurz OBOR angestoßen.

Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine auf die Seidenstraße?
Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine rückt der zentrale Korridor, das "Central Trans-Caspian Network" (CTCN), in den Fokus der Europäer.

Welche Vorteile bietet die Neue Seidenstraße für die Logistik?
Die Neue Seidenstraße eröffnet der Wirtschaft neue Absatz- und Beschaffungsmärkte. Die Transportzeiten verkürzen sich, die Transportkosten sinken.